Prof. Dr. Tim Dornis
Generative KI und Urheberrecht: Bestandsaufnahme und kritische Analyse
Die kreativen Leistungen generativer KI-Systeme sind auf umfangreiches Training der zugrundeliegenden Modelle zurückzuführen. Dieses Training erfolgt unter Verwertung großer Mengen von Daten. Der größte Teil davon ist urheberrechtlich geschützt. Während die Diskussion in den USA auf breiter Front, zunehmend auch vor den Gerichten, im Lichte der „fair use defense“ geführt wird, verweisen KI-Entwickler sowie juristische Expertinnen und Experten in Europa nahezu unisono auf die scheinbar umfassend anwendbare Schranke für „Text und Data Mining“. Auch das Entstehen von Vervielfältigungen im Modellinnern wird auf breiter Front bestritten. Bei einem genauen Blick auf die technologischen Grundlagen verflüchtigen sich diese Gewissheiten allerdings sehr schnell. Nicht nur im Vorfeld des KI-Trainings kommt es umfangreich zur Vervielfältigung der Trainingsdaten und damit zu Urheberrechtsverletzungen. Auch während des KI-Trainings und als eine mehr als nur vorübergehende Folge entstehen Vervielfältigungen im künstlichen neuronalen Netz der trainierten Modelle. Diese werden bei Einsatz der darauf basierenden Systeme, etwa durch das Angebot von KI-Dienstleistungen (ChatGPT u.a.), der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Diskussion um die urheberrechtliche Einordnung des Trainings und des Einsatzes generativer KI-Modelle steht daher erst am Anfang. Neben einer Analyse der technologischen und juristischen Grundlagen bedarf es auch einer Debatte über die sozio-ökonomischen und kulturellen Folgen des momentan praktisch schrankenlosen KI-Trainings.